Skip to main content

HV07: Reden kann reichen - kommt drauf an, wie ...

Angesichts des Kongressnamens ein vielleicht provokanter Beitragstitel ... Er nutzt die Tatsache, dass hinter "Reden reicht nicht!?" nicht nur ein Ausrufezeichen, sondern auch ein Fragezeichen steht ...

Ludwig Wittgensteins berühmtes Motto: "Was ist dein Ziel, in der Philosophie? Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen." bezieht sich eindeutig auf die teils problematischen Einladungen sprachlicher Formen, uns auf die "Jagd nach Chimären" zu schicken bzw. uns alternativlos in dem einzurichten, was nicht anders sein zu können scheint. Das bietet eine Spur für das, was poetisches Denken leisten kann.

Worin besteht die Kunst poetischen Denkens? Aus dem, was unsere Grammatik uns ermöglicht, soviel Neues zu machen, damit wir als problematisch erlebte Phasen und Umstände des Lebens neu ordnen, reflektieren, befragen können und vielleicht neu handlungsfähig werden. Eine der Leitideen: Strenge Form befördert Kreativität, das Neue.

Wie kommen wir zu guten und handfesten Formulierungen? Dichterische Muster und Methoden, wie Haiku, Aphorismus, Sonett, Schreiben und Denken in der 3. Person, erweisen sich als überraschend zuverlässig. Sie fördern neue Wahrnehmungen: neu Notiz nehmen davon, worum es eigentlich geht. Die Bewegung in der Form bewegt sprachliche Möglichkeiten und führt zu Überraschungen, was sich alles sagen ließe. Auch deshalb eignen sich diese Formen für beratende Begegnungen, auch digital vermittelte, und zur Selbstsupervision.

Grammatik ist Alltag in permanenter Verwendung. Dichterische Verwendungen von Sprache stellen eigen-artige Formen zur Prüfung von Gewissheit zur Verfügung. Poetisch denken ist nützlich, wenn wir allmählich anderes alltäglich werden lassen wollen.

Aus systemtheoretischer Perspektive gesehen bewegt sich poetisches Denken in einem Medium der Operationen sozialer Systeme. Das ist nicht trivial. Wenn wir den (sich verhaltenden) Körper als Medium der Kopplung/Kommunikation psychischer und sozialer Systeme betrachten, können wir ihn in Form poetischen Denkens nutzen: ihn befragen, auf ihn „hören“, wenn ihm z. B. schlecht wird, er einen Ort aufsuchen oder lieber verlassen mag, er fieberhaft nach Stift und Papier oder nach einem Tablet sucht, usw., und ihm Sprache zur Verfügung stellen.

Wie wir das dann methodisch nennen, muss uns zunächst nicht kümmern. Allerdings ist auch hier Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten. Benennungen und Bezeichnungen haben Konsequenzen. Und sie führen meist, mehr oder weniger bemerkt, Theorien mit sich.

Konzept und Praxis poetischen Denkens sollen im Vortrag erläutert werden, der Workshop wird ausführlichere Praxisproben ermöglichen.